Guter Zusammenhalt

Wie läuft der Alltag in Corona-Zeiten in unseren Wohnhäusern?

ROTENBURG/VERDEN. Am 18. März 2020 hieß es bei uns: die Werkstätten schließen. Stichwort: Corona-Krise. Bis zum 18. April gilt die Regelung mindestens. Die Beschäftigten gehen also tagsüber nicht mehr ihrer Arbeit nach und sind nicht mehr in den Berufsbildungsbereichen, sondern bleiben zu Hause, bei ihren Eltern oder in den Wohneinrichtungen. Wie läuft dort der Alltag, wie kommen alle Beteiligten – ob mit oder ohne Behinderung – mit der neuen Situation zurecht?

Am Westerholzer Weg in Rotenburg ist es ruhiger geworden. Die
Beschäftigten aus den Werkstätten der Lebenshilfe sind aktuell zu
Hause, bei Eltern und in den Wohneinrichtungen

Am Westerholzer Weg in Rotenburg ist es ruhiger geworden. Die Beschäftigten aus den Werkstätten der Lebenshilfe sind aktuell zu Hause, bei Eltern und in den Wohneinrichtungen

Während die Beschäftigten sonst zwischen 8 und 16 Uhr an ihren Arbeitsplätzen sind, gilt es nun, auch in dieser Zeit in den Wohnbereichen für eine Tagesstruktur zu sorgen. Natürlich stellt das das Team vor personelle Herausforderungen. „Wir waren auf die Situation aber gut vorbereitet“, erklärt Hans-Joachim Hopfe, Bereichsleiter Wohnen. Denn dass die Werkstätten früher oder später schließen müssen, war aufgrund der Corona-Lage in Deutschland zumindest absehbar. Frühzeitig konnten Dienstpläne um- beziehungsweise neu aufgestellt werden. Was Hans-Joachim Hopfe freut: Die Unterstützung anderer Bereiche, etwa aus dem Bereich der Werkstätten und den Schulassistenzen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von dort sind in den Wohneinrichtungen eingesprungen, um personell eine gute Grundlage für die neue Situation zu bilden. „Das war sehr hilfreich für uns.“ Die Arbeitsbelastung sei im Wohnbereich aber hoch: „Das Personal leistet sehr viel und ist am Limit“, betont der Bereichsleiter.

Auch der moralische Zusammenhalt stimmt bislang – ob es nun beispielsweise durch einen Kuchen des Elternrats ausgedrückt wird, durchs Nähen von Atemmasken oder durch ein „Corona-Nervennahrungspaket“ mit Schokolade, Seifenblasen und netten Worten einer Kollegin. Und es entstehen auch neue Ideen: So wurde etwa mit Hilfe von Susanne Dedendorf (Hauswirtschaftsleitung) im Wohnhaus Upp´n Kopp ein Kiosk eingerichtet, für den sie verschiedene Dinge eingekauft hat. So können die Bewohner und Bewohnerinnen, die ja aktuell möglichst zu Hause bleiben sollen, dort etwa besondere Getränke und Süßes erwerben.

Zusammen Spiele spielen, Geschichten vorlesen, 1:1-Spaziergänge an der frischen Luft, eine Tagesstruktur schaffen – so sieht der Tag aktuell aus. Zudem gilt es, den Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen die Corona-Thematik verständlich zu machen und zu erklären, etwa mit Hilfe von Material in leichter Sprache. Trotzdem ist das nicht immer einfach. „Warum darf ich nicht raus? Warum darf ich nicht zu meiner Mama? Fragen, die aufkommen und die auf die Psyche drücken. Da fließen auch mal Tränen“, berichtet Hans-Joachim Hopfe. Auch über Hygiene und das richtige Händewaschen wird immer wieder gesprochen.
Bisher sei die Stimmung im Allgemeinen gut. Allerdings, berichtet er, gebe es auch Eltern, die ihre Kinder nun nach Hause holen wollen. Das aber kann weitreichende Folgen haben, über die aufgeklärt werden muss.

Ein generelles Problem: die Beschaffung von Schutzkleidung. Dass Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime mit dieser Schwierigkeit zu kämpfen haben, wird in den Medien oft erwähnt – Einrichtungen für Menschen mit Behinderung jedoch finden kaum Erwähnung. Sie aber haben die gleichen Schwierigkeiten. Bei Schutzmaterial besteht ein Engpass, obwohl die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besonders vorsichtig sein müssen – schließlich zählen Menschen mit Behinderungen vielfach als Risikogruppe beim Thema Corona.
Aufgrund der aktuellen Situation im Umgang mit dem Virus Covid-19 wurde bereits Mitte März für außenstehende Besucher und Besucherinnen ein Betretungsverbot aller Wohneinrichtungen verfügt. Nur in begründeten Ausnahmefällen dürfen Angehörige die Bewohner und Bewohnerinnen besuchen. Angehörige müssen sich dazu unbedingt vorab telefonisch mit dem Haus in Verbindung setzen. Für die Kontakt- und Beratungsstellen gilt diese Regelung ebenso.

Die Teams des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) sind ebenso weiter für die Kunden und Kundinnen da. Auch per Telefonkontakt, denn der Bedarf, mit anderen über die neue Lebenssituation zu sprechen, ist aktuell hoch. Zudem wurde ein Einkaufsservice eingerichtet.

Alle Bau- und Renovierungsarbeiten in den Wohnhäusern mussten übrigens unterbrochen werden und werden zu gegebener Zeit fortgesetzt.

(Text und Foto: Lebenshilfe Rotenburg-Verden/Wibke Woyke)

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